Dennis Hackethal’s Blog

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Kinder ernst nehmen – Interview

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Der folgende Text ist die Übersetzung einer nur geringfügig überarbeiteten Abschrift eines Gesprächs zwischen Dwarkesh Patel und Sarah Fitz-Claridge, das im Rahmen von Patels Podcast The Lunar Society veröffentlicht wurde. Beide haben diese Übersetzung genehmigt (aber nicht geprüft). Meine Anmerkungen in eckigen Klammern. Die Übersetzung befindet sich noch in einem frühen Stadium.


Vorschau

Sarah Fitz-Claridge (S): Kinder sollten lernen, was sie wollen, was sie interessiert. Sie sollten lernen, wie sie Probleme lösen können. Das lernen sie nicht, indem sie zwölf Jahre lang in die Schule eingewiesen und von einem autoritären Lehrer herumkommandiert werden, der nicht viel weiß. Das ist eine verrückte Vorstellung.


Einleitung

Dwarkesh Patel (D): Hallo allerseits und willkommen zum Podcast The Lunar Society. Heute hatte ich das große Vergnügen, mit Sarah Fitz-Claridge zu sprechen. Sie ist Autorin und Beraterin und hält Vorträge – alles mit einer fallibilistischen Weltanschauung. Anfang der 1990er Jahre gründete sie eine Zeitschrift, aus der Taking Children Seriously [Kinder ernst nehmen] hervorging. Sie war von den hitzigen Publikumsreaktionen überrascht, als sie sich zu Kindern äußerte. Sie hat überall auf der Welt Vorträge über ihre Erziehungsphilosophie gehalten, und Sie können Abschriften einiger ihrer Vorträge auf ihrer Website fitz-claridge.com finden. Der Link dazu wird auch in der Podcast-Beschreibung zu finden sein.

D: Wir hatten ein sehr interessantes Gespräch. Ich kann Sarahs Weltanschauung im Großen und Ganzen gut nachvollziehen, auch wenn ich meine eigenen Ansichten habe. Es hat mir also viel Spaß gemacht, an einigen Stellen dagegenzuhalten. Aber ganz gleich, ob man ihr zustimmt oder nicht: Sarah ist eine unglaublich originelle und sich auf Prinzipien berufende Denkerin zu dem Thema, wie unsere Gesellschaft mit Kindern umgeht. Hier ist also Sarah Fitz-Claridge.


Interview

D: Sarah, können Sie erklären, was Kinder ernst nehmen ist?

S: Ja. Kinder ernst nehmen ist eine Erziehungsphilosophie, die den Gedanken ernst nimmt, dass Menschen fehlbar sind, und das gilt auch für Eltern. Anstatt also mit unseren Kindern unter Zwang zu interagieren, versuchen wir, mit ihnen ein Einvernehmen herzustellen; wir versuchen, Lösungen für Probleme zu finden, die keinen Zwang beinhalten. Denn der Zwang entscheidet über Probleme im Rahmen einer irrationalen Institution – er verkörpert die Theorie, dass das Recht des Stärkeren gilt, und das stimmt nicht. Also tun wir das nicht.

S: Es handelt sich tatsächlich um eine neue Sichtweise auf Kinder, denn die übliche Sichtweise ähnelt in gewisser Weise der auf Frauen vor ihrer Emanzipation oder, sagen wir, auf Schwarze, als sie in Amerika Sklaven waren. Es geht dabei nicht darum, dass sie keine Menschen seien. Die gängige Sichtweise besagt, sie seien zwar Menschen, aber sie seien nicht in der Lage, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen; sie bräuchten einen wohlwollenden patriarchalischen Elternteil, einen Ehemann oder einen Sklavenhalter, der dafür sorgt, dass in ihrem Leben nichts schief geht.

S: Es ist natürlich nicht so, dass Eltern versuchen, ihren Kindern gegenüber diktatorisch aufzutreten, es ist nur so, dass die ganze Welt die Meinung vertritt, Kinder seien anderen Menschen gegenüber nicht ganz gleichzustellen. Sie seien nicht rational oder kreativ, und deshalb müssten wir sie lenken und kontrollieren, um sicherzustellen, dass sie sich zu mündigen Bürgern entwickeln, die für sich selbst verantwortlich sein können.

S: Ich glaube vielmehr, dass Kinder doch kreativ und rational sind. Sie sind dies von Geburt an. Wir werden mit einem menschlichen Verstand geboren – nicht nur mit einem tierischen, sondern auch mit einem menschlichen Verstand. Es ergibt einfach keinen Sinn, davon auszugehen, dass Rationalität und Kreativität zu einem späteren Zeitpunkt eingeschaltet werden. Sie sind also von Anfang an vorhanden. Wie könnte ein Baby oder ein Kind sonst lernen zu sprechen, wenn es nicht kreativ und rational ist?

S: Kinder ernst nehmen ist also sozusagen eine zwangfreie Erziehungstheorie. Sie handelt davon, Kinder auf eine Weise zu erziehen, die keinen Zwang beinhaltet.

D: Nur damit unsere Zuhörer es wissen: Mein Standpunkt liegt derzeit irgendwo zwischen dem Ihrigen und der herkömmlichen Auffassung. Ich hoffe also, Sie können mich näher an Ihre Sichtweise heranführen. Nun, ein naheliegendes Gegenargument lautet, dass wir zwar Frauen sowie andere Rassen als etwas Andersartiges betrachtet haben – doch Kinder sind im wahrsten Sinne des Wortes andersartig, oder? Sie unterscheiden sich biologisch von Erwachsenen. Bedeutet das nicht, dass sie Anspruch auf andere Rechte haben, vielleicht sogar auf weniger Rechte?

S: Das ist derselbe Zirkelschluss, der in der Vergangenheit in Bezug auf Frauen und Schwarze verwendet wurde: ›Nun, ihre Haut ist schwarz, also sind sie offensichtlich anders als wir.‹ ›Nun, das sind Frauen, es gibt also offensichtlich einen tatsächlichen Unterschied zwischen ihnen und uns.‹ ›Das sind keine Männer.‹ ›Das sind keine weißen Männer.‹ Es ist derselbe Zirkelschluss.

D: Ja.

S: Das ergibt keinen Sinn. Ich denke, irgendwann in der Zukunft werden sich die Menschen zurückerinnern, wie wir heute Kinder wahrnehmen. Und sie werden genauso entsetzt darüber sein, wie es uns ergeht, wenn wir auf die Argumente zurückblicken, die in der Vergangenheit in Bezug auf Schwarze und Frauen angeführt wurden.

D: Ja, dem stimme ich eigentlich zu, vor allem wenn man bedenkt, wie das Schulsystem funktioniert. Nur um dieses Argument fortzuführen: Zwischen verschiedenen Rassen gibt es doch nur oberflächliche Unterschiede, oder? Ebenso zwischen verschiedenen Geschlechtern. Sie sind zwar nicht völlig oberflächlich, aber sie sind minimal, wenn man sie mit dem Unterschied zwischen einem Zweijährigen und einem Achtzehnjährigen vergleicht, denn es scheint einen großen Unterschied in der Art von Person zu geben, über die wir hier sprechen. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass ein Schimpanse schlauer ist als ein Zweijähriger, oder? Warum hat ein Schimpanse dann nicht die gleichen Rechte gegen Zwang?

S: Nein, das stimmt nicht. Im entscheidenden Sinne sind Kinder, egal welchen Alters, gleich [mit uns], denn wir haben Kreativität und Rationalität. Ein Baby, das gerade erst geboren wurde und abgesehen von seinem genetischen Wissen zwar sonst nichts weiß, so wie ein Tier im Grunde nur genetisches Wissen hat, wird, wenn es ungefähr zwei Jahre alt ist, sprechen und viele andere Dinge tun, die ein Schimpanse oder ein anderes Tier niemals tun wird. Und das liegt genau an dieser Kreativität und Rationalität – wissen Sie, etwas ist in diesen zwei Jahren passiert. Und zwar hat das Kind inexplizite Vermutungen darüber angestellt, was Worte bedeuten, wie wir verschiedene Dinge nennen und über eine Vielzahl anderer Dinge. Dabei geht es natürlich nicht nur um die Sprache. Ein Schimpanse oder ein anderes Tier hingegen tut nichts von alledem.

S: Falls Ihre Frage den Eindruck erwecken sollte, ich würde behaupten, man solle ein Baby sich selbst überlassen: Das meine ich nicht. Es geht um die An- und Abwesenheit von Zwang. Ich will damit nicht sagen, dass wir unsere Kinder nicht unterstützen. Natürlich tun wir das. Und wir wissen tatsächlich mehr als ein Baby. Die Frage ist nur, was machen wir mit diesem zusätzlichen Wissen? Glauben wir, dass es den Zwang auf das Kind rechtfertigt oder nicht? Wenn man Zwang ausübt, will man im Grunde sagen, dass das Recht des Stärkeren gilt, und das stimmt nicht.

D: Ja. Ich denke, es wäre sinnvoll, den Begriff ›Zwang‹ in diesem Zusammenhang zu definieren. Wie sehen Sie den Zwang gegenüber Kindern? Was ist darunter zu verstehen?

S: Nun, Zwang bedeutet grob gesagt, jemanden dazu zu bringen, etwas gegen seinen Willen zu tun oder zu lassen. Da steckt noch mehr dahinter, und ich denke, wir könnten uns auch mit subtileren Fragen zu diesem Thema befassen. Aber im Grunde genommen geht es darum, jemandem den eigenen Willen aufzuzwingen, und zwar gegen dessen Willen. Das würde ich als Zwang bezeichnen.

D: Gut. Ich erinnere mich dunkel daran, dass Schimpansen ... Man hat ein Experiment durchgeführt, bei dem Schimpansen und Kinder so etwas wie einem sehr einfachem IQ-Test unterzogen wurden. Und es stellte sich heraus, dass Schimpansen tatsächlich ein besseres Arbeitsgedächtnis haben. Allerdings haben sie offensichtlich eine geringere Lernfähigkeit, und Lernen erfordert Kreativität – dazu können wir noch mehr sagen. Kinder haben also deshalb ein Recht auf Schutz vor Zwang, weil sie Dinge lernen können – es geht also nicht nur um ihre momentane Intelligenz, sondern auch darum, was aus ihnen werden könnte?

S: Kinder haben deshalb ein Recht auf Schutz vor Zwang, weil sie kreative und rationale Wesen sind. Der Schimpanse hingegen nicht. Er verfügt zwar über genetisches Wissen, das ihm eine gewisse Bandbreite an Verhaltensweisen und Lernfähigkeiten ermöglicht, aber das ist begrenzt. Die menschliche Kreativität hingegen ist nicht begrenzt. Das gilt für Kinder genauso wie für Erwachsene.

D: Und trotzdem ist ein zweijähriges Kind doch auch begrenzt, oder? Es ist ja nicht so, dass ein Zweijähriger alles tun kann, was ein erwachsener Mensch tun kann. Warum bringen diese Grenzen nicht auch gewisse Einschränkungen der Rechte des Kindes mit sich?

S: Nun, ich würde sagen, Kinder sind in Wirklichkeit kreativer und rationaler als Erwachsene, insbesondere kleine Kinder. Wenn man bedenkt, wie viel kleine Kinder lernen, und wie schwierig es für viele Erwachsene ist, Dinge zu lernen ... Also im Gegenteil, Kinder verfügen über mehr Kreativität und Rationalität, nicht weniger.

D: Ja, wobei, wenn wir dieses Kriterium anwenden wollen, gibt es viele Dinge, die Erwachsene tun können, die Kinder nicht tun können. Eine Fähigkeit Erwachsener besteht darin, formale verbale Diskussionen zu führen und verschiedene Alternativen zu durchdenken. Man kann mit einem Erwachsenen sprechen und sagen: ›Ist diese Berufswahl die beste Berufswahl für dich?‹ Und man kann die Gründe, das Für und Wider erörtern. Das kann man mit einem Kleinkind nicht.

S: Doch, das kann man. Aber wenn man Rationalität einfach so definiert, dass sie kleine Kinder ausschließt, findet natürlich jeder einen Grund, warum sie irrational seien – aber Rationalität ist die Fähigkeit, tatsächlich zu lernen; neues Wissen zu schaffen. Wie gesagt sind Babys eindeutig rational, weil sie lernen zu sprechen. Das ist klares Tatsachenmaterial1 für Rationalität.

D: Gut. Wir werden also darauf zurückkommen müssen, denn das wird eine längere Diskussion. Lassen Sie uns über etwas sprechen, bei dem wir wahrscheinlich beide einer Meinung sind, nämlich über die Behandlung von Menschen, die Teenager oder jünger als Teenager sind. Die Auswirkungen der Schulpflicht auf Menschen in dieser Altersgruppe ... Ich würde nämlich sagen, dass Menschen in dieser Altersgruppe vor Zwang geschützt werden sollten, und dass das Schulsystem ein wirklicher Verstoß gegen ihre Rechte auf den Schutz vor Zwang ist.

S: Nun, dazu möchte ich schnell Folgendes sagen: Wenn Sie glauben, Sie können von Geburt des Kindes an von oben herab ein autoritäres, diktatorisches Verhältnis zu dem Kind haben und dann plötzlich ab einem Alter, in dem es in Ihren Augen rational wird, umschalten, dann haben Sie das Verhältnis zu Ihrem Kind bereits ruiniert. Ich weiß nicht, wie das gut gehen soll. Wir müssen von Anfang an davon ausgehen, dass Kinder rational, kreativ und vernünftig sind, anstatt zu glauben, dass man den Kurs später einfach ändern kann.

D: Stimmt das denn wirklich? Die meisten Eltern, ja ich würde sagen, fast alle Eltern erziehen ihre Kinder zumindest bis zu einem gewissen Alter so, als seien sie ihnen unterlegen und müssten ihnen gehorchen. Dennoch haben die meisten Kinder ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern. Vielleicht nicht gut in Ihrem Sinne, aber sie hegen keinen ausdrücklichen Groll gegen ihre Eltern, oder? Da besteht keine Feindseligkeit.

S: Ich glaube, da gibt es tatsächlich sehr viel Groll. Ich würde zwar nicht unbedingt von Feindseligkeit sprechen, aber ich glaube, dass zwischen Eltern und Kindern in beide Richtungen viel Unmut besteht. Auch seitens der Eltern, weil sie ein Bild von Kindern haben, das zumindest meiner Meinung nach nicht stimmt. Das führt zu Spannungen und spaltet Eltern und Kinder gegeneinander auf. Es verursacht also durchaus Probleme.

D: Ja.

S: Anstatt Probleme zu lösen, zwingt man das Kind zu etwas. Und natürlich neigen Eltern mit dieser autoritären Denkweise manchmal auch dazu, sich ihren Kindern gegenüber aufopfernd zu verhalten. Sie denken: Ich muss das für mein Kind tun. Aber es ist nicht so, dass das Kind um etwas gebeten hat und sie deshalb ein Opfer bringen. Mit dem Zwang geht die Tendenz zur Selbstaufopferung einher, und das ist alles nicht rational. Wenn Probleme nicht gelöst werden, tut das den Menschen weh, und davon betroffen sind auch die Eltern, nicht nur die Kinder.

D: Ja. Können Sie etwas dazu sagen, wie die Erziehung aussieht, wenn Sie als Elternteil oder in einem schulähnlichen Rahmen tätig sind? Wie sollten Kinder erzogen werden?

S: Kinder sollten dabei unterstützt werden, das zu lernen, was sie lernen wollen, und zwar so, wie sie es lernen wollen. Nur sehr wenige Kinder würden tatsächlich zur Schule gehen wollen. Die Schule ist ein derart ineffizienter Weg, etwas zu lernen, und sie ist so autoritär ... Die ganze Struktur des Schulsystems ist unglaublich autoritär. Ich denke also, die allermeisten Kinder würden – sofern sie nicht unter psychologischem oder anderweitigem Druck stehen zu lügen – sagen, dass sie sich definitiv nicht für die Schule entscheiden würden. Vielleicht entscheiden sie sich später für eine formelle Ausbildung, wenn sie beschlossen haben, dass sie beispielsweise Arzt werden wollen – dann werden sie natürlich eine formelle Ausbildung absolvieren. Aber das geschieht vielleicht erst später.

D: Ja, und sie werden auch nicht in demselben Sinne dazu gezwungen.

S: Nein, auf keinen Fall.

D: Ja, das Kind hat die Wahl, richtig.

S: Ich glaube, das Schulsystem ist eine Art Rückschritt in die Vergangenheit, als man versuchte, gute Fabrikarbeiter auszubilden. Wir leben heute in einer wissensbasierten Gesellschaft; wir sind nicht mehr auf der Suche nach guten Fabrikarbeitern, die gehorchen und einfach nur die hirnlose Aufgabe erledigen, die ihnen jemand vorgibt. Wir sind auf der Suche nach Menschen, die kreativ sind, die neue Ideen haben, um Probleme zu lösen, damit die Welt besser wird, wir Fortschritte machen und das Leiden ein Ende findet. Das Schulsystem stumpft die Kreativität der Menschen nur ab, es hat auf die große Mehrheit der Menschen einen lähmenden Effekt.

D: Ein Einwand gegen diese Sichtweise lautet: Selbst wenn man möchte, dass die Menschen kreativ sind und eigene Ideen entwickeln, müssen sie über ein gewisses Grundwissen verfügen, um sich überhaupt mit herausfordernden Problemen beschäftigen zu können. Und dass Kinder einfach nicht bereit seien, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um auf dieses hohe Niveau zu gelangen, auf dem sie ihre eigenen Probleme lösen können. Deshalb müsse man sie schon in jungen Jahren dazu zwingen, die Grundlagen zu erlernen, damit sie schließlich kreativ werden können.

S: Das Problem mit dieser Vorstellung von einem Wissensschatz ist: Wenn alle den gleichen Wissensschatz haben, woher sollen dann die neuen Ideen kommen? Bedenken Sie, dass in der Vergangenheit, also bevor es Schulen gab, die neuen Ideen von Menschen stammten, deren Lebensgeschichte sich völlig von der anderer unterschied und die etwas aus reiner Freude an der Sache gelernt hatten. Sie dachten nicht: ›Oh, ich muss das tun, ich muss diesen Wissensschatz studieren, diese Wissensbasis, und dann habe ich alle Ideen, die ich brauche, um mit etwas Neuem aufzuwarten.‹ Nein, neue Ideen kommen eher von denjenigen, die nicht über den gleichen Wissensschatz verfügen wie alle anderen. Deshalb halte ich diese Vorstellung für einen Fehler.

D: Ja. Außerdem, selbst wenn diese Vorstellung wahr wäre, kann man die Ansicht, dass das moderne Schulsystem oder irgendetwas, das ihm auch nur annähernd ähnelt, einem überhaupt einen nützlichen Wissensschatz vermittelt, durch Beobachtung widerlegen, indem man nur einen Tag lang die Schule besucht, nicht wahr? Man lernt den Unterschied zwischen Alliteration und Assonanz auswendig oder wann eine bestimmte Schlacht stattfand; irgendjemand betet da was herunter ... Auch dass jemand entscheidet, wann man auf die Toilette gehen und wann man essen darf. Dass dieses Maß an Zwang notwendig ist, um Menschen eine Grundlage zu vermitteln, damit sie sich in der Welt zurechtfinden können, halte ich für unwahrscheinlich.

S: Ganz genau. Ich stimme Ihnen uneingeschränkt zu.

D: Bryan Caplan, der der erste Gast dieses Podcasts war, hat ein Buch mit dem Titel The Case against Education [Ein Argument gegen die Erziehung] geschrieben, und er unterrichtet seine Kinder von zu Hause aus [homeschooling]. Der Grundgedanke ist, dass die Menschen viel weniger gebildet seien, als man angesichts der zwölf Jahre Schulpflicht erwarten würde. Und wenn sie die Universität verlassen, wüssten sie nicht einmal, wie die Regierung funktioniert, die Grundlagen der Mathematik, der Wissenschaft und so weiter. Er sagte jedoch, dass er seine Kinder zwinge, Mathematik zu lernen, während er sie zu Hause unterrichtet, weil er festgestellt habe, dass diejenigen Kinder, die in der Unschooling-Bewegung2 aufgewachsen sind, zwar in jeder Hinsicht in Ordnung zu sein schienen – doch mit den Grundrechenarten hätten sie Schwierigkeiten. Deshalb nimmt er an, dass Kinder einfach keine Lust hätten, mathematische Grundlagen zu lernen. Dabei sei die Mathematik tatsächlich ein wichtiges Fach, das in vielen Problembereichen benötigt werde. Es sei also wichtig, Kinder zum Mathelernen zu zwingen.

S: Zunächst einmal glaube ich nicht, dass Kinder, die ernst genommen werden, nicht wissen, wie man rechnet. Das ist doch lächerlich. Ich weiß nicht, von welchen Unschoolern er spricht. Einige von denen haben zwar seltsame Ideen, wie zum Beispiel, dass Kinder nicht lernen dürfen oder dass sie erst später etwas lernen sollen und bis dahin aufgehalten werden müssen. Ich weiß es also nicht. Aber hinsichtlich der Vorstellung, wir müssten unsere Kinder zwingen, Mathematik zu lernen: Nun, zunächst einmal glaube ich nicht, dass die meisten Menschen Mathematik überhaupt brauchen. Das stimmt meiner Meinung nach nicht. In dem Maße, in dem es doch stimmt, lernen die Menschen sie ohnehin auf natürliche Weise.

S: Aber ich denke auch, dass diese Idee schlichtweg falsch ist. Bedenken Sie, dass Entdeckungen auf dem Gebiet der Mathematik nicht von denjenigen gemacht worden sind, die dazu gezwungen wurden, Mathematik zu lernen, sondern von denjenigen, die Mathematik als Freude, als Vergnügen, als faszinierend empfanden. So kamen sie zu ihrer Entdeckung. Es mag sein, dass sich die meisten Menschen nicht so begeistert mit der Mathematik beschäftigen. Wahrscheinlich hat das zum großen Teil mit dem schrecklichen Zwang zum Mathelernen in der Schule zu tun: Der reicht aus, um bei jedem eine lebenslange Abneigung gegen Mathematik zu erzeugen. Aber auch davon abgesehen, wenn man davon ausgeht, dass die meisten Menschen einfach kein Interesse an Mathematik haben: Nun, die meisten Menschen brauchen Mathematik nicht. Ich glaube einfach nicht, dass wir jemanden zwingen müssen, überhaupt irgendetwas zu lernen. Das stimmt einfach nicht. Menschen, die zu nichts gezwungen wurden, die ernst genommen wurden, haben überhaupt keine Probleme, das zu lernen, was sie lernen müssen, wenn sie merken, dass sie es brauchen. Es ist nicht notwendig, zwölf Jahre lang gefoltert zu werden oder auch nur ein oder zwei Jahre lang zu Hause mit Hausunterricht unter Zwang Mathematik zu lernen. Das ist lächerlich.

D: Gut. Ich bin in dieser Sache geteilter Meinung. Einerseits glaube ich zwar, dass Sie insofern Recht haben, als dass ... Ich hab mal von einem Mietglied des Schulrats gelesen, das in seinem Bezirk beschlossen hat, dass die Kinder erst in der siebten Klasse Mathematik lernen müssen. Und es stellte sich heraus, dass diese Kinder nach der achten Klasse nicht weniger wussten als diejenigen, die Mathe seit der ersten Klasse gelernt hatten. Vielleicht stimmt es also, dass man es zu einem späteren Zeitpunkt nachholen kann. Aber ich befürchte ... Es wird zwar immer Leute wie Gauß und Newton geben, die einfach von sich aus motiviert sind, Mathe zu lernen, und vielleicht können diese Menschen, die unser mathematisches Wissen voranbringen werden, dies auch ohne ein zwanghaftes Bildungssystem tun. Doch was ist mit denjenigen, die Programmierer werden wollen, aber mit achtzehn merken, dass sie die mathematischen Konzepte dafür nicht gut genug beherrschen – dass sie vielleicht nicht einmal finanziell haushalten können.

S: Ich glaube nicht, dass das stimmt. Wenn Menschen ihren eigenen Interessen nachgehen, geschieht das alles ganz natürlich. Wenn jemand Programmierer, Ingenieur oder Arzt werden möchte und das vielleicht erst später in der Kindheit merkt, kann er es immer noch lernen – obwohl ich glaube, in vielen Fällen haben die Menschen diesen Drang schon früher in ihrer Kindheit.

S: Ein Beispiel: Dabei geht es zwar nicht um Mathematik, aber Karl Poppers Doktorarbeit handelte nicht von Philosophie. Sie war im Bereich der pädagogischen Psychologie, und dennoch wurde er einer der wichtigsten Philosophen überhaupt. Das ist also ein Beispiel für jemanden, der relativ spät in seinem Leben seine Richtung geändert hat. Und ich denke, dasselbe gilt auch für die Mathematik. Bryan Caplan und ich sind diesbezüglich einfach nicht einer Meinung.

D: Ja. Und ich stimme zu, dass man Kinder nicht einfach zwingen sollte, nur für den Fall, dass es ihnen zufällig hilft.

S: Genau.

D: Meine Position ist wahrscheinlich etwas weniger strikt als Ihre. Ich finde, man sollte einen sehr guten Grund haben, Kinder zu Dingen zwingen, und dies nicht nur für den Fall tun, dass sie eine Fähigkeit vielleicht mal brauchen.

S: Nun, wenn es einen sehr guten Grund gibt, können Sie Ihr Kind sicherlich von diesem Grund überzeugen. Wenn es denn wirklich ein guter Grund ist.

D: Das stimmt ... Obwohl Kinder nicht gerade dafür bekannt sind, dass sie sich leicht überzeugen lassen.

S: Nun, vielleicht liegt das daran, dass man sich ihnen in ihrer Kindheit immer wieder in den Weg gestellt hat. Und deshalb trauen sie den Erwachsenen um sie herum nicht, weil ... Wie soll ein Kind, dem man sich während seiner gesamten Kindheit in den Weg gestellt hat, das man ständig zu Dingen gezwungen hat, wissen, wann man ihm etwas sagt, das tatsächlich wichtig ist, das tatsächlich in seinem Interesse liegt – dass man sich ihm diesmal nicht aus irgendeinem dummen Grund in den Weg stellt?

D: Ja, genau. Ein weiterer Einwand bezüglich dieser Art des Aufziehens von Kindern ist die Ansicht, die Schule bringe den Menschen bei, wie man Anweisungen erhält und ihnen folgt; dass sie den Menschen Selbstbeherrschung, Disziplin und exekutive Funktionen beibringe und sie lehre, wie man mit Autoritäten und Hierarchien umgeht, wenn sie in die echte Welt eintreten – auch wenn das Wissen, das in der Schule vermittelt wird, sonst nicht nützlich oder notwendig ist. Sie werden also wissen, wie sie mit ihrem Chef umgehen oder wie sie in einem Unternehmen, in einer Gemeinschaft und so weiter zurechtkommen.

S: Das ist doch lächerlich. In dem Maße, in dem sie später mit Autoritätspersonen und so weiter konfrontiert werden, können sie dann lernen, wie man damit umgeht. Die Vorstellung, Kindern Selbstdisziplin beizubringen, indem man sie zur Disziplin zwingt, ist eine Äquivokation3 des Wortes ›Disziplin‹. Sie suggeriert, dass die Selbstdisziplin, die zum Beispiel ein Konzertpianist oder ein MMA-Kämpfer hat, das ist, was man Kindern durch Zwang beibringt. Das ist Unfug. Im Falle des olympischen Sportlers, des MMA-Kämpfers oder des Konzertpianisten ist dies etwas, wofür sie leben, es ist ihre Leidenschaft. Und so verfolgen sie es mit vollem Einsatz und ganzem Herzen. Das ist etwas völlig anderes, als Kinder zu disziplinieren. Kinder zu disziplinieren bedeutet: Verfolge deine Leidenschaften nicht mit ganzem Herzen; du musst tun, was ich sage. Es ist also genau das Gegenteil. Es geht darum, Kinder darauf zu trainieren, dass sie nicht in der Lage sind, ihren Leidenschaften mit ganzem Herzen nachzugehen.

D: Ja, das ist ein guter Punkt. Allerdings gibt es Bedenken, warum wir erwarten sollten, dass die Leidenschaften, die Kinder haben, die tatsächlichen Fähigkeiten und Kenntnisse widerspiegeln, die sie haben sollten, um in der Welt gut zurechtzukommen. Menschen haben allerlei Leidenschaften, aber vielleicht gibt es bestimmte Dinge, die Kinder unabhängig von ihren Leidenschaften lernen müssen. Man sorgt sich, dass das Kind nicht in der Lage ist zu verstehen, was es lernen muss, weil es noch nicht mit der Welt in Berührung gekommen ist und daher nicht weiß, welche Probleme auftreten werden.

S: Nun, wenn Sie ein zwangfreies Verhältnis zu Ihren Kindern haben, dann können Sie über diese Dinge sprechen und Ihre Bedenken äußern, dass sie dies und jenes aus diesem und jenem Grund wissen müssen. Man kann ein Gespräch führen, man kann mit Vernunft überzeugen. Wenn Sie es einfach durchsetzen, dann ist das Kind wahrscheinlich immer noch nicht mit Ihnen einverstanden. Und die Folgen davon sind nicht absehbar. Sie könnten also feststellen, dass diese kleinen Zwänge, die Sie einführen wollen, weil Sie sich Sorgen um etwas Zukünftiges machen, das vielleicht nie eintritt, dazu führen, dass in der Gegenwart alles schief läuft. Und entscheidend ist, wie wir in der Gegenwart leben.

S: Es ist nicht so, dass wir keine Ziele und Dinge haben können, die wir für die Zukunft für wichtig halten, und wir können diese Gespräche durchaus führen, aber wenn man das Leben in der Gegenwart miserabel macht, dann bringt man dem Kind bei, dass das Leben miserabel ist und man eigentlich keine Probleme lösen kann; dass man nicht bekommt, was man will, und dass man deshalb genauso gut einfach aufgeben kann. Das fördert nichts Wichtiges, was das Kind tun möchte.

S: Wenn man etwas Wichtiges tut, ist es nicht hilfreich, wenn man dazu noch gezwungen wird. Es ist einfach nicht hilfreich. Es vermittelt dem Kind, dass es sich selbst nicht trauen kann; dass es für die Anerkennung anderer Menschen leben muss. Das ist nicht die Art von Geisteshaltung, in der sich der Konzertpianist oder der Olympiasportler befindet. So funktioniert das nicht.

D: Ja, das ist ein sehr guter Punkt. Gibt es denn eine Möglichkeit, die psychologischen Auswirkungen der konventionellen Art des Aufziehens von Kindern zu erfassen? Ich bin skeptisch, dass sie für die meisten Menschen besonders traumatisch ist, denn im Allgemeinen ist es sehr schwer, die Persönlichkeit eines Menschen oder die Art und Weise, wie er mit der Welt interagiert, zu verändern. Es gibt zum Beispiel eine Menge Fachliteratur über Zwillingsstudien, bei denen Zwillinge, die von Geburt an getrennt sind und von verschiedenen Eltern adoptiert werden, einander in der Regel ziemlich ähnlich sind, selbst wenn sie in verschiedenen Haushalten aufwachsen und die Eltern sehr unterschiedlich sind. Deshalb bin ich skeptisch, dass sich Kinder, die auf diese Weise aufwachsen, signifikant von denen unterscheiden, die sie sonst gewesen wären. Das heißt zwar nicht, dass die derzeitige Behandlung von Kindern gerechtfertigt ist – man ändert Erwachsene nicht, indem man sie zu etwas zwingt, und es bedeutet immer noch nicht, dass der Zwang an Erwachsenen in Ordnung wäre –, doch ich bezweifle, dass der konventionelle Ansatz irgendeinen tiefen psychologischen Schaden anrichtet.

S: Angenommen, Sie haben Recht, dass da kein Unterschied ist. Ist unmoralisches Verhalten dann über jeden Zweifel erhaben?

D: Nein.

S: Bei Erwachsenen sagen wir nicht: ›Nun, es hat keine negativen Auswirkungen, wenn ich meine Frau zu etwas zwinge; ich finde, sie muss kontrolliert werden. Und zeigen Sie mir doch bitte die Studien, die aufzeigen, dass dies negative Auswirkungen hat. Es ist also in Ordnung.‹ Bei Erwachsenen verwenden wir diese Argumentation natürlich nicht. Wir sagen nicht: ›Oh, Forschungsergebnisse zeigen auf, dass die körperliche Züchtigung von Kindern später zu Problemen führt, und deshalb sollte man sie besser nicht anwenden.‹ Bei Erwachsenen sagen wir das auch nicht. Stattdessen sagen wir: Es ist falsch, jemanden zu schlagen.

S: Es geht nicht darum, über die Auswirkungen nachzudenken. Das ist ein Beispiel für die andere Sichtweise, die wir auf Kinder haben, die meiner Meinung nach ein Fehler ist.

D: Ja, das stimmt. Man kann jemanden nicht einfach elf Jahre lang in eine Anstalt sperren und behaupten, das sei nicht so schlimm, nur weil wir nicht wissen, ob es irgendwelche langfristigen Auswirkungen hat.

S: Ja, das ist ein unmoralisches Argument. Bei einem Erwachsenen würden Sie dieses Argument nicht anführen.

D: Ja. Wie gehen Sie auf die Bedürfnisse und Wünsche eines sehr jungen Kindes ein, das vielleicht unangemessene Forderungen stellt, oder sogar eines Kleinkindes, das noch nicht sprechen kann, bei dem es also schwer ist zu wissen, wie seine Bedürfnisse und Wünsche lauten?

S: Nun, zunächst einmal halte ich es nicht für unangemessen. Wie gesagt denke ich, dass Kinder Vernunft haben, genau wie wir. Ich denke, das ist ein weiteres Beispiel für den Unterschied in der Sichtweise. Die meisten Menschen sehen Babys als unvernünftig an, weil sie nur schreien und so weiter, aber sie achten nicht auf die Signale, die das Baby gibt. So werden die Signale des Babys ignoriert und es fängt wirklich an zu schreien. Und dann zwingen die Eltern das Kind beispielsweise dazu zu lernen, nachts durchzuschlafen, indem sie seine Schreie ignorieren.

S: Problematisch daran ist zum einen, dass man dem Baby beibringt, dass es keinen Einfluss auf die Welt haben kann; dass Probleme nicht lösbar sind. Außerdem entsteht dadurch wie gesagt dieses Konfliktverhältnis zu Ihrem Kind. Wenn Sie Ihr Baby jedoch ernst nehmen, dann schenken Sie ihm Aufmerksamkeit; Sie versuchen, Vermutungen darüber anzustellen, was das Baby womöglich möchte oder nicht möchte. Sie reagieren also schon zu einem viel früheren Zeitpunkt positiv. Und so kommt es gar nicht erst zu dem Geschrei und den schrecklichen Dingen, die man in den meisten Familien antrifft. Diese Vorstellung von the terrible twos4 und ›Wutanfällen‹ – das kommt nicht vor, wenn man seine Kinder ernst nimmt, es kommt einfach nicht vor. Denn es wird nie so weit kommen, dass es zu einem solchen Problem wird. Du gehst tatsächlich auf dein Kind ein.

D: Das stimmt. Sie haben mehr Erfahrung mit Kindern als ich, also glaube ich Ihnen das. Ich habe nur keine eindeutige Meinung dazu, welchen Einfluss die Erziehung auf ein Kind hat. Ich schätze, meine Nullhypothese lautet in Abwesenheit anderweitigen Tatsachenmaterials, dass Kinder, die auf diese Weise erzogen werden, weiterhin Wutanfälle bekommen. Aber wahrscheinlich wird mich die Lebenserfahrung eines Besseren belehren.

S: Ja. Warum sollte jemand am Ende derart aufgebracht sein, wenn seine Bedürfnisse nicht schon viel früher ignoriert wurden?

D: Ich schätze, man könnte das Gleiche fragen bei ... Okay, nehmen wir also eine Person, die zwar erwachsen, aber psychisch krank ist. Die könnte auch Wutanfälle haben. Man könnte sagen, dass das nur eine Reaktion auf das ist, was in der Welt vor sich geht. Man könnte aber auch sagen, die bessere Erklärung besteht darin, dass diese Person einfach psychisch krank ist. Und es gibt wahrscheinlich einige Dinge, die sie beunruhigen, aber die unmittelbare Ursache für ihre Wutanfälle ist die Tatsache, dass sie psychisch krank ist. Dasselbe könnte man auch über einen Zweijährigen sagen. Es mag Dinge geben, die ihn beunruhigen, aber die unmittelbare Erklärung lautet einfach, dass es die terrible twos sind.

S: Nun, das stimmt nicht. Das ist ein Märchen. Wenn Sie Kinder ohne Zwang erziehen, werden Sie feststellen, dass das nur ein Märchen ist.

D: Ja, das muss ich irgendwann einmal selbst herausfinden.

S: Wenn Sie Ihrem kleinen Kind Aufmerksamkeit schenken, dann bemerken Sie ... Wenn Menschen nicht ganz glücklich sind, wenn ein Problem besteht, dann sieht man ihnen das in den Augen an. Warum merken die Eltern nicht, dass es ein Problem gibt, bis das Kind traumatisiert auf dem Boden liegt und schreit? Wie kommt es dazu? Das muss einfach nicht sein. Und Kinder, die die Erfahrung gemacht haben, dass ihre Bedürfnisse erfüllt und nicht unterdrückt werden, vertrauen darauf, dass ihre Bedürfnisse auch in Zukunft erfüllt werden.

D: Meine Eltern haben mir irgendwann ihre diesbezügliche Philosophie erklärt, und Sie werden der sicher nicht zustimmen. Sie waren der Meinung, wenn man auf Wutanfälle reagiert, bringe man dem Kind bei, dass man mit einem Wutanfall eine Antwort erzwingen kann. Wenn man hingegen die Wutanfälle ignoriert und erst auf das Kind eingeht, wenn es sich angemessener verhält, dann bringe man dem Kind bei, dass Wutanfälle nicht der richtige Weg sind, um das zu bekommen, was man will; dass man in einer anderen Gemütslage sein sollte, um mit der Welt zu interagieren.

S: Die Anwendung von Hundetrainingsmethoden auf Kinder ist meiner Meinung nach schlicht unmoralisch. Aus der Sicht eines kleinen Kindes bedeutet das, dass man es meidet, es ignoriert und ihm im Grunde die Liebe entzieht. Für ein kleines Kind ist das völlig entsetzlich. Wenn Eltern sich in ihre kleinen Kinder hineinversetzen könnten und wüssten, wie es sich für diese Kinder anfühlt, würden sie das sicher nicht tun wollen. Und wir sind keine Tiere – nun, wir sind zwar Tiere, aber wir haben einen menschlichen Verstand. Die Frage ist also, ob Sie Ihre Kinder mit Hundetrainingsmethoden, mit behavioristischer operanter Konditionierung oder klassischer Konditionierung erziehen wollen oder ob Sie Ihre Vernunft einsetzen wollen. Zwang entscheidet über Fragen im Rahmen einer irrationalen Institution, also kann man auf diese Weise nicht die richtige Antwort finden.

D: Ein Einwand, den manche zu haben scheinen, wenn ich über diese Ideen spreche, lautet, sie befürchten, dass Kinder in ihrem natürlichen Zustand uninteressiert und faul seien ... Naja, nicht unbedingt faul, aber einfach unmotiviert für die Dinge, die ihnen wahrscheinlich ein besseres Leben ermöglichen würden, sobald sie erwachsen sind. So würden sie wahrscheinlich den ganzen Tag vor dem Fernseher verbringen, Videospiele spielen oder Ähnliches. Sie würden nicht die Dinge tun, von denen wir optimistisch hoffen, dass sie damit ihre Freizeit verbringen, wenn wir sie einfach zwanglos ihre Tage verbringen ließen. Sie werden also nichts erkunden, lernen oder lesen und so weiter.

S: Nun, als jemand, der auf die übliche Art und Weise erzogen wurde, nicht auf die Art und Weise, die ich hier vorschlage, will ich sagen: Ich habe versucht, alles zu tun, was ich konnte, um dem Zwang, den Streits und all dem endlosen Kram zu entkommen, der ... Ich verbrachte meine ganze Zeit mit Schule und Hausaufgaben, Ballett-, Klavier- und Geigenunterricht, Akrobatik und all dem anderen Kram. Und wann immer ich konnte, flüchtete ich in mein Zimmer. Und bei mir war das noch vor Computern und Computerspielen. Ich habe also gelesen. Aber es überrascht mich keineswegs, wenn Kinder, die auf die übliche Weise erzogen werden, in Dinge wie Videospiele flüchten müssen. Wer würde das nicht tun? Es hilft dabei, sich zu entspannen und zu beruhigen. Ich glaube, vieles von dem, was manche als Faulheit oder hirnlos bezeichnen – obwohl ich nicht glaube, dass es tatsächlich hirnlos ist, ich glaube, es ist sehr lehrreich, Videospiele zu spielen –, ist einfach nur nötig, um sich von all dem Stress des Lebens in der Zwangsfamilie, der Schule und so weiter zu erholen. Das zum einen.

S: Also zunächst einmal glaube ich nicht, dass Kinder ... Nun, es stimmt nicht, dass Kinder, die zu nichts gezwungen werden, nichts anderes tun würden als Videospiele zu spielen. Aber selbst wenn sie das wollten, denke ich, dass es durchaus eine positive Sache sein könnte. Nun, es ist zwar möglich, dass dies schlecht wäre – es könnte sein, dass ein Kind keine anderen echten Möglichkeiten hat. In diesem Fall ist es natürlich ein Fehler, dass die Eltern dem Kind nicht genügend echte Möglichkeiten bieten, die interessant sind und die das Interesse und die Aufmerksamkeit des Kindes wecken. Aber abgesehen davon bin ich ohne Vorbehalt der Meinung, dass Aktivitäten wie Videospiele und Fernsehen unglaublich lehrreich sind.

S: Schauen Sie: Wenn ein Außerirdischer aus dem Weltall käme, wie würde er am schnellsten etwas über unsere Kultur lernen? Wahrscheinlich indem er sich Seifenopern im Fernsehen ansieht, nicht durch schulähnlichen Unterricht. Er würde durch Fernsehen viel mehr lernen als im Unterricht. Ich glaube also, man unterschätzt, wie lehrreich diese Dinge sind. Und es ist ein großer Irrtum zu glauben, dass Kinder, die zu nichts gezwungen werden, nicht neugierig seien. Das Gegenteil ist der Fall. Merken wir denn nicht, dass die Neugier von Kleinkindern in der späteren Kindheit einfach zu verschwinden scheint? Kann das nicht auch mit der Art und Weise zu tun haben, wie sie gebildet und erzogen werden?

D: Das stimmt. Ja, es wäre erstaunlich, wenn Millionen von Jahren der Evolution beschlossen hätten, dass die beste Überlebensmaschine die ersten achtzehn Jahre seines Lebens nur herumliegt und nichts tut, nicht wahr? Allein aus grundsätzlichen Erwägungen heraus lässt sich erahnen, dass es wahrscheinlich einen Grund gibt, warum wir den ersten Teil unseres Lebens als Kinder verbringen. Man würde einfach davon ausgehen, dass die Evolution uns darauf trainiert hat, neugierig zu sein und Dinge zu erkunden, weil das wahrscheinlich der Grund ist, warum wir überhaupt Kinder sind.

S: Ja.

D: Und was die Videospiele anbelangt: Ich frage meine Freunde immer, wenn sie diesen Einwand, dass sie den ganzen Tag nur Videospiele spielen würden, vorbringen, wo ist denn das Tatsachenmaterial, dass dies eine schlechtere Art und Weise ist, die eigene Zeit zu verbringen, als zur Schule zu gehen? Wenn man sich Studien über die Wirksamkeit der Schule anschaut, verschwenden sie dort ohnehin ihre Zeit. Und Tatsache ist, dass sie leiden, während sie ihre Zeit dort verbringen. Wenigstens leiden sie nicht, während sie Videospiele spielen, oder?

S: Ja. Ich denke, es ist noch positiver als das, aber, ja. Und Kinder sollten lernen, was sie wollen, was sie interessiert. Sie sollten lernen, wie sie Probleme lösen können. Das lernen sie nicht, indem sie zwölf Jahre lang in die Schule eingewiesen und von einem autoritären Lehrer herumkommandiert werden, der nicht viel weiß. Das ist eine verrückte Vorstellung.

D: Ja. Ich denke an meine Schulzeit zurück und daran, wie viel Zeit ich nicht nur vergeudet habe, weil ich mich gelangweilt habe oder einfach nicht da sein wollte, sondern auch an die Opportunitätskosten, einfach an die Dinge, die ich mir in einem viel jüngeren Alter hätte vornehmen können.

S: Ja!

D: Da ist zunächst einmal die Tatsache, dass Kinder einen anderen Schlafrhythmus haben als Erwachsene. Sie leiden also unter Schlafmangel, und das schadet wahrscheinlich ihrer Entwicklung. Hinzu kommt die Tatsache, dass sie all ihre Zeit mit Hausaufgaben und Schularbeiten verbringen. Ich glaube, in den USA machen sie durchschnittlich drei Stunden am Tag Hausaufgaben. Und das nach acht Stunden Schulunterricht. Wo bleibt da die Zeit für das Kind, die Dinge zu tun, die es wachsen lassen und ihm helfen würden, sich zu entwickeln?

S: Ja, wie Pollyanna in dem gleichnamigen Buch sagte: »Wann werde ich Zeit zum Leben haben?« Und das war, nachdem ihre Tante ihr gesagt hatte, dass sie morgens Unterricht haben würde. »Wann werde ich Zeit zum Leben haben?«

D: Ein weiterer Punkt in Bezug auf die Literatur zu Zwillingsstudien: Sie spricht eigentlich auch dagegen, Kinder zu Dingen zwingen. Denn wenn man sein Kind zwingt, Taekwondo-Unterricht zu nehmen, zur Schule zu gehen, Nachhilfeunterricht zu nehmen und Hausaufgaben zu machen ... Wenn diese Dinge nichts bringen, warum sollte man seinem Kind dann dieses Leid antun?

S: Ja. Aber natürlich halte ich all diese zweckdienlichen Argumente und den Versuch, daraus eine Wissenschaft zu machen, für einen Fehler, denn wir haben die Sklaverei nicht deshalb abgeschafft und Frauen nicht deshalb emanzipiert, weil Studien dies und jenes gesagt haben. Die Argumente sind moralisch und philosophisch. Und ich denke, es kann zu schrecklichen Irrtümern führen, wenn man meint, alles in eine Wissenschaft verwandeln zu können, was keine Wissenschaft ist. Das ist Szientismus.

D: Ja. Und eine Frage, die man sich in Bezug auf die Behandlung von Frauen stellen kann: Wie kann es sein, dass jede Gesellschaft, die jemals existiert hat, in dieser so grundlegenden moralischen Frage falsch lag? Nun, die Antwort lautet, dass jede Gesellschaft vor der Aufklärung, also vor etwa hundert Jahren, in der Frage der Behandlung von Frauen sehr falsch lag. Es ist also nicht verwunderlich, wenn sich die Gesellschaft in einer moralischen Frage durchweg irrt.

D: Manch einer entgegnet: Zumindest musste ein Teil der Bevölkerung den Schmerz des anderen Teils nicht erleben und konnte den anderen Teil so unterdrücken. Aber wir waren alle mal Kinder. Wenn wir also alle den Zwang und das Trauma der konventionellen Art der Kindererziehung erlebt haben, warum merken wir das als Erwachsene nicht?

S: Zu der Frage, wie sich dies entwickelt haben könnte, sollten Sie David Deutschs Buch Der Anfang der Unendlichkeit lesen. Ich glaube, es ist Kapitel 16, ›Die Evolution der Kreativität‹. Ich denke, das Interessante ist, wie wir es von einer starren Gesellschaft zur Aufklärung, zur Kreativität und so weiter geschafft haben. Daher betrachte ich Kinder ernst nehmen als die letzte Phase der Aufklärung ... Nun, vielleicht nicht als die letzte Phase, aber es ist sicherlich ein Bereich, in dem wir das aufklärerische Denken noch nicht angewendet haben. Also ja, ich denke wie gesagt, man wird mit der Zeit auf das Jahr 2021 zurückblicken und darauf, wie die Menschen Kinder wahrnehmen, und man wird genauso entsetzt sein, wie wir es sind, wenn wir darauf zurückblicken, wie Frauen in der Vergangenheit wahrgenommen wurden.

D: Nun gut. Aber haben Sie eine Ahnung, warum die meisten Menschen, obwohl sie selbst mal Kinder waren, als Erwachsene immer noch dieselben autoritären Praktiken anwenden, die sie selbst erlebt haben und unter denen sie vermutlich gelitten haben?

S: Ja. Und noch einmal, das findet sich in Der Anfang der Unendlichkeit von David Deutsch, das ist die Idee der antirationalen Meme.5 Während sich also rationale Meme dank Kritik replizieren – Kritik schadet einem rationalen Mem nicht, denn es ist wunderbar für ein rationales Mem, kritisch hinterfragt zu werden –, blockieren antirationale Meme die Fähigkeit ihrer Träger, sie zu kritisieren. Und so entwickeln Menschen, die auf diese antirationale Art und Weise erzogen wurden, die gleichen geistigen Blockaden, die gleichen antirationalen Meme, die dazu führen, dass sie ihren Kindern das Gleiche antun. Ich meine, es ist nicht zu hundert Prozent so ... Man kann antirationale Meme kritisieren und mit Kreativität zumindest bis zu einem gewissen Grade überwinden, wenn man sich der Idee der antirationalen Meme bewusst ist. Und so haben sich die Dinge für Kinder im Laufe der Jahre etwas liberalisiert, aber wir haben immer noch diese Sicht auf Kinder, die aus der Zeit vor der Aufklärung stammt, denke ich. Aber, ja, antirationale Meme sind meiner Meinung nach eine Erklärung dafür, warum Menschen als Erwachsene ihren Kindern dasselbe antun.

D: Gibt es eine Richtung, in die sich diese Ideen Ihrer Meinung nach entwickeln werden? In den Vereinigten Staaten und vielleicht auch anderswo gibt es zum Beispiel eine wachsende Zahl von sogenannten Montessori-Schulen, die sich dieser Philosophie annähern, nach der Kinder allein durch ihre eigene Neugier lernen können und werden. Wie wird sich diese Bewegung Ihrer Meinung nach entwickeln?

S: Ich denke, dass der Wandel ähnlich wie bei der Emanzipation der Frauen verlaufen wird. Es geschah nicht alles auf einmal: Frauen bekamen das Wahlrecht ... Ich weiß nicht, in welcher Reihenfolge die Dinge tatsächlich passiert sind, aber es ist nicht alles auf einmal passiert. Die Vorstellung von Frauen in der Kultur änderte sich nach und nach. Und dann ereigneten sich bestimmte Dinge wie das Frauenwahlrecht, die etwas bewirkten. Aber zum Beispiel verlor meine eigene Großmutter 1933 den Job, den sie liebte, als sie ihrem Chef sagte, sie würde heiraten. Und sie sagte, so sei das eben gewesen: Wenn man verheiratet war, konnte man [als Frau] keine Arbeit haben. Selbst zu Lebzeiten meiner Großmutter änderte sich also noch so einiges, nachdem die Frauen in England das Wahlrecht erhalten hatten. Ich denke also, dass es ähnlich sein wird.

S: Ich hoffe, dass mein Buch etwas bewirken kann. Denn wenn man erst einmal sieht, dass diese Sichtweise auf Kinder so ist wie unsere Sichtweise auf Frauen in der Vergangenheit und auf Schwarze in Zeiten der Sklaverei – wenn man das einmal sieht, kann man es nicht mehr übersehen, wissen Sie, das ist irgendwie ... wow! Und ich glaube, man wird anfangen, das zu verstehen, und dann wird sich etwas tun. Es wird einfach eine Art Dominoeffekt sein. Und dann wird man Kinder allmählich ernster nehmen.

D: Erscheint das Buch bald?

S: Nun, ich glaube immer wieder, dass es fast fertig ist. Aber jetzt schreibe ich es nochmal um, daher weiß ich nicht, wie lange es dauern wird. Hoffentlich nicht allzu lange.

D: Ja, ich freue mich schon darauf, es zu lesen. Ich würde Sie gerne wieder zu meinem Podcast einladen, sobald es erschienen ist, damit wir uns darüber unterhalten können.

S: Unbedingt. Liebend gern.

D: Ach, eine Frage, die mir in den Sinn kam, als Sie über die Behandlung von Frauen sprachen: Eine der Methoden, mit denen die Gesellschaft Zwang auf Frauen ausgeübt hat, bestand darin, dass sie nicht arbeiten durften, weil man sie für unfähig hielt, die Entscheidung zu treffen, zu arbeiten oder gute Leistungen zu erbringen. Sollten wir die Gesetzte gegen Kinderarbeit abschaffen, wenn ähnliche Rechte auch für Kinder zu erwarten sind?

S: Ich nehme an – und das ist nur eine Vermutung ... Obwohl ich Libertärer bin, bin ich kein utopischer, sondern ein Popper'scher Libertärer. Ich weiß also eigentlich nicht, wie die Zukunft aussehen wird. Aber ich könnte mir vorstellen, dass sich einige dieser Dinge irgendwann in der Zukunft ändern werden. Die Gesetze gegen Kinderarbeit stellen zum Beispiel für junge Unternehmer ein Problem dar. Ich kenne jemanden, der ein brillanter Mensch ist und im Alter von, ich glaube, elf Jahren ein Unternehmen gegründet hat. Er musste bei der Angabe seines Alters lügen, und jetzt wurde er von einem bestimmten Online-Finanzdienst, den er nutzte, ausgeschlossen. Diese Gesetze machen es für Kinder sehr schwer.

S: Obwohl es merkwürdig ist, denn als ich Kind war, haben viele Kinder gearbeitet – nicht Vollzeit, weil sie natürlich in der Schule waren, aber viele Kinder haben viel mehr gearbeitet als heute, besonders in Amerika. Ich weiß also nicht ... Ich glaube, das ist eines der Dinge, die sich ändern werden, ja.

D: Aufgrund des Verbots der Kinderarbeit haben die Menschen die Vorstellung, dass die gefährlichen Arbeiten, die Elfjährige damals verrichteten, auch heute noch verrichtet würden, wenn man es ihnen erlauben würde. Stellen Sie sich vor, was ein Vierzehnjähriger macht, wenn es ihm erlaubt ist, zum Beispiel als Angestellter bei H-E-B6 oder Walmart oder so. Man würde ihm das einfach mit elf Jahren erlauben. Ich gehe davon aus, das ist für das Kind viel angenehmer, als in eine Schule eingewiesen zu werden. Es kann sich aussuchen, ob es arbeiten will, und es wird für seine Arbeit bezahlt, es hat ein freiwilliges Verhältnis zu seinem Chef und so weiter.

S: Auf jeden Fall, ja. In der Vergangenheit haben Eltern ihre Kinder gezwungen, unter gefährlichen Bedingungen zu arbeiten. Eltern taten dies aus Verzweiflung ums Überleben. Diejenigen, die diese Arbeitsvorschriften eingeführt haben, hatten offensichtlich sehr gute Absichten. Wir befinden uns jetzt aber in einer anderen Problemsituation; in Zukunft werden die Dinge sicherlich anders sein, und ich bin sicher, dass sich das ändern wird.

D: Und wie sieht es mit Gesetzen zur sexuellen Mündigkeit aus? Gesetze über das Schutzalter?

S: Nun, im Moment versuchen diese Gesetze zumindest, Kinder zu schützen, weil die Menschen eine problematische Sichtweise auf Kinder haben. Aber ich kann mir vorstellen, dass diese Gesetze irgendwann in ferner Zukunft, wenn Kinder genauso ernst genommen werden wie alle anderen auch, vielleicht auch nicht mehr gebraucht werden. Ich denke, dass jede Art von sexueller Beziehung, bei der es ein Macht- und Autoritätsgefälle gibt, gefährlich sein wird. Ich weiß nicht, wie es in Zukunft sein wird, ich spekuliere hier nur, aber viele dieser Gesetze waren offensichtlich notwendig, um Kinder zu schützen, und sind es vielleicht in mancher Hinsicht immer noch, aber in Zukunft vielleicht nicht mehr, wenn Kinder ernst genommen werden.


  1. ›Tatsachenmaterial‹ als Übersetzung des englischen evidence stammt von Karl Popper (Logik der Forschung, Hrsg. Herbert Keuth, 11. Auflage 2005, Mohr Siebeck, Tübingen, S. 426 f.). Es heißt entschieden nicht ›Evidenz‹, auch wenn sich diese scheußliche Übersetzung im Deutschen immer weiter ausbreitet. Mehr zu dem Thema findet sich in meinem Vorwort zum Buch Der Anfang der Unendlichkeit von David Deutsch. 

  2. »Unschooling ist eine Form des informellen Lernens. Die Kinder gehen dabei nicht in eine Schule, sondern suchen sich selbst ein Interessensgebiet aus und werden dabei von den Eltern oder externen Lehrern unterstützt. Im deutschsprachigen Raum wird dazu auch der Begriff Freilernen verwendet.« https://de.wikipedia.org/wiki/Unschooling 

  3. ›Äquivokation‹ bedeutet »Wortgleichheit bei Sachverschiedenheit« (https://www.duden.de/rechtschreibung/Aequivokation). Äquivokationen sind oft irreführend, insbesondere wenn sie nicht explizit angegeben sind. 

  4. Der Begriff terrible twos, etwa ›die furchtbaren zwei‹, bezieht sich in der Anglosphäre auf das Alter von zwei Jahren, in dem Kinder angeblich eine besonders schlimme ›Trotzphase‹ durchlaufen. 

  5. ›Meme‹ (Singular ›das Mem‹) sind Ideen, die sich über mehrere Menschen hinweg verbreiten. Sie sind also Replikatoren. Die Idee geht auf Richard Dawkins zurück. 

  6. H-E-B ist eine amerikanische Supermarktkette, so wie Walmart auch. 


References

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What people are saying

In diesem Artikel stellt der Psychologe Stephan Mayer zwei Thesen auf:

These 1:
Ein Kind – ob Junge oder Mädchen – hat ein Recht darauf, zu weinen solange es will. Es will dabei getröstet und verstanden, aber nicht abgelenkt werden.

Und:

These 2:
Die Eltern sollten ihr Kind achten, Respekt vor seinen Rechten haben, seine Gefühle tolerieren und ernst nehmen.

Ich finde diese beiden Thesen richtig. Der ganze Artikel ist lesenswert.

#356 · anonymous · on an earlier version (v1) of this post
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